Das Wasser-Element – Stärke innerhalb von Sanftheit

Das Wasser-Element reprä­sen­tiert die Kraft zu bewah­ren, zu kon­zen­trie­ren und zu emp­fan­gen.
Die Ener­gie des Was­sers ist nach unten gerich­tet und ent­spricht dem ver­steck­ten, zurück­ge­zo­ge­nen Sta­dium der Mate­rie. Dar­über hin­aus reprä­sen­tiert es Intel­li­genz und Weis­heit, Geschmei­dig­keit und Weich­heit. Die Emo­tion, die dem Was­ser und somit den Nie­ren zuge­ord­net wird, ist die Angst. Im har­mo­ni­schen Zustand steht das Was­ser für ein Gefühl inne­ren Frie­dens und Friedlichkeit.

Obwohl Was­ser flüs­sig und nach­gie­big ist, ent­wi­ckelt es doch eine große Kraft und ver­mag über län­gere Zeit z.B. tiefe Schluch­ten in einen Fel­sen zu gra­ben. Des­halb sag­ten Lao Tzu und andere Meis­ter: „Das, was weich ist, ist stark“ und „Sei wie Wasser“.

Was­ser­wege ver­sus Feu­er­wege
Diese Eigen­art des Wasser-Elementes kommt auch im ver­stärk­ten Maße bei den Tian Tao-Übungen zum Tra­gen und hat maß­geb­li­chen Anteil an der Effek­ti­vi­tät und dem rege­ne­rie­ren­den Poten­tial des Sys­tems. Ich werde manch­mal gefragt, ob Tian Tao ein „Was­ser­weg“ sei. Die Ant­wort dar­auf ist: ja und nein. Man­che Schu­len unter­schei­den zwi­schen soge­nann­ten Feuer– und Was­ser­we­gen. Als Feu­er­wege wer­den meist Metho­den bezeich­net, die for­ciert und mit rela­tiv dras­ti­schen Mit­teln daran arbei­ten, mög­lichst schnell Ener­gie dazu zu brin­gen nach oben zu stei­gen. Die Effekte sind inten­siv und ein­drucks­voll, aber oft unaus­ge­gli­chen und nicht für jeden hand­hab­bar. Unter Umstän­den besteht hier die Gefahr des ener­ge­ti­schen Ausbrennens.

Im Kon­trast dazu suchen soge­nannte Was­ser­wege nach einer eher sanf­ten und indi­rek­ten, zir­ku­lie­ren­den Weise Ener­gie in Fluss zu brin­gen. Dies wird z.B. über har­mo­ni­sche und anstren­gungs­lose Bewe­gung und natür­li­che Atmung erreicht. Ins­ge­samt arbei­tet die­ser Ansatz intel­li­gent mit der Natur und nicht gegen sie. Inso­fern kann man Tian Tao mit Ein­schrän­kung als einen Was­ser­weg bezeich­nen. Letzt­end­lich ent­hält ein voll­stän­di­ges Sys­tem inne­rer Alche­mie aber alle Ele­mente und somit sowohl Feuer als auch Was­ser. Die Ele­mente wer­den gerei­nigt und genährt und in einem spä­te­ren Sta­dium ver­ei­nigt. Eine ein­sei­tige Kate­go­ri­sie­rung ist daher nicht möglich.

Liu I-Ming, einer der größ­ten Tao­is­ten der Ch’ing Dynas­tie, bemerkte zum alche­mis­ti­schen Zusam­men­spiel der Ele­mente Feuer und Wasser:

»Wenn Fes­tig­keit und Bieg­sam­keit aus­ba­lan­ciert sind und sich Yin und Yang in Har­mo­nie befin­den, ver­schmel­zen Essenz und Sin­ne­sas­pekt; Was­ser und Feuer wie­gen ein­an­der auf. Dies wird die Umkeh­rung von Was­ser und Feuer genannt. «

Die Ener­gie­es­senz Jing
Auf phy­si­scher Ebene ist das Wasser-Element des­halb von beson­de­rer Bedeu­tung, weil es Trä­ger der Ener­gie­es­senz Jing ist. Jing bil­det die mate­ri­elle Basis des Kör­pers und bestimmt die Kon­sti­tu­tion. Es setzt sich in ers­ter Linie aus gene­ti­scher bzw. vor­ge­burt­li­cher Ener­gie und bis zu einem gewis­sen Grad aus nach­ge­burt­li­cher Ener­gie, die aus der Nah­rung extra­hiert wird, zusammen.

Als ers­ter der „drei Schätze“ wird Jing mit Rege­ne­ra­tion, Lang­le­big­keit, Jugend­lich­keit, andau­ern­der Vita­li­tät, men­ta­ler Ener­gie und der Quelle der Kraft für den Fort­pflan­zungs­ap­pa­rat asso­zi­iert. Jing unter­stützt eben­falls unser Kno­chen­ge­rüst, die Nie­ren­funk­tion und den Hörsinn.

Im Bereich des Jing sind auch die Instinkte und die Wil­lens­kraft ange­sie­delt sowie die bio­che­mi­sche Intel­li­genz des endo­kri­nen Systems.

Es heißt, dass wir mit einem bestimm­ten Vor­rat an Jing gebo­ren wer­den, der sich im Laufe des Lebens mehr und mehr dezi­miert. Aus die­sem Grunde war es tao­is­ti­schen Kul­ti­vie­rungs­we­gen beson­ders wich­tig, Metho­den zu for­mu­lie­ren, die das Jing schüt­zen, bewah­ren, ver­fei­nern und ggf. auch auf­fül­len. Letz­te­res wurde in einer Viel­zahl von Krei­sen für nicht mög­lich gehal­ten, trotz­dem gab es (geheime) Prak­ti­ken, die genau dar­auf abziel­ten. Auch die Nut­zung und Zube­rei­tung von toni­sie­ren­den Kräu­tern spielte in die­sem Zusam­men­hang eine wich­tige Rolle.

Das Wasser-Element in Balance brin­gen
Die Win­ter­son­nen­wende mar­kiert den Zeit­punkt, an dem die Yin-Kraft des Was­sers ihren stärks­ten Ein­fluss aus­übt. Das bedeu­tet auch, dass es in der Win­ter­zeit beson­ders bedeut­sam ist, das Was­ser­ele­ment und damit das Nie­ren– und Bla­sen­sys­tem zu pfle­gen und zu unter­stüt­zen. Jetzt wer­den die Samen für alle Wachs­tums­pro­zesse, die sich ab dem Früh­jahr im Außen zu zei­gen begin­nen, gelegt.

Anzei­chen dafür, dass das Wasser-Element even­tu­ell außer Balance ist, kön­nen nach der TCM fol­gende Sym­ptome sein: Ängste, Pho­bien und Panik­at­ta­cken, Erschöp­fungs­zu­stände, dunkle Augen­ringe, Man­gel an Libido und Schmer­zen im unte­ren Rücken sowie das starke Bedürf­nis nach Sti­mu­lan­zien wie Kaf­fee um die Ener­gie auf­recht zu halten.

Zu den Tian Tao Übun­gen, die das Nie­ren– und Bla­sen­sys­tem unter­stüt­zen, gehö­ren u.a.: „Der große Vogel brei­tet seine Schwin­gen im Him­mel aus“ (Auf­bau 2) und „Die Qi Hei­lende und Wärmend-Liebende Übung“ (Auf­bau 1). Die höhere Alche­mie von Feuer und Was­ser ist Bestand­teil der Einsicht-Technik.

 Leonardo-DaVinci-Wasser